Außergewöhnliche Berufe im Handwerk

Interview mit Andreas Feussner, Head of Modelling Mazda Motor Europe

Andreas Feussner, Jahrgang 1976, verantwortet seit 2016 das Modelling Departement bei Mazda Europa in Oberursel. In seiner Rolle als Head of Modelling arbeitet er eng mit Designern, dem Color & Material Team, PR und dem Team rund um die Produktentwicklung zusammen. In unserem Interview erzählt er uns, was die Leidenschaft am Handwerk ausmacht, warum Holz sein liebstes Material ist und was das mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

Andreas, was bedeutet gutes Handwerk für Sie?

Wenn ich erkenne, dass jemand etwas mit Leidenschaft geschaffen hat. Man kann ein Projekt fertig stellen und zufrieden sein, mit dem, was man abliefert. Ich persönlich betrachte meine abgeschlossenen Projekte immer ganz genau und analysiere den Prozess, um diesen für zukünftige Aufgaben zu optimieren. Es sind oft keine grundlegenden Dinge die verbessert werden müssen, aber in 28 Jahren im Beruf machen Kleinigkeiten in der Summe etwas Größeres aus und geben einer Arbeit eine spezielle Note.

Sie sind also ein Perfektionist?

Was mein Handwerk anbelangt, definitiv. Ich habe einen Kollegen, der mich Mr. 1000 % nennt. Wahrscheinlich deshalb, weil ich mich immer tiefgehend und präzise mit meinen Aufgaben und Projekten auseinandersetze und unentwegt an diesen arbeite, bis die Deadline erreicht ist – auch wenn es theoretisch schon als fertig zu bezeichnen wäre. Wir haben zum Beispiel einmal eine Center Konsole aus Holz gefertigt. Diese sollte nur geschliffen werden, nicht lackiert, nicht geölt. Ich habe die Konsole bis zu einem sehr hohen Grad an Körnung geschliffen, bis sie sich sehr samtig anfühlte. Als es zur internen Fahrzeugpräsentation kam, saß unser Designchef aus Japan, Ikuo Maeda, in dem Fahrzeug und strich immer wieder über diese Oberfläche, während ihm die europäischen Designer ihre Gedanken zur Formgebung erklärten. Ich stand daneben und habe mich gefreut, dass er dies so besonders schätzte. Maeda-san legt sehr großen Wert auf gutes Handwerk.

Was sind die größten Herausforderungen im Alltag eines Clay Modellers?

Manchmal sind die Entwürfe der Designer nicht ganz so einfach realisierbar. Hier ein gutes Beispiel aus der Praxis: Wir haben eine Skulptur aus Holz gefertigt. Die Herausforderung bestand darin, das Holz in einem bestimmten Radius zu biegen, was nicht möglich war, da das Holz zu dick und der Radius zu klein waren. Genau an solchen Stellen müssen Lösungen gefunden werden, die so gut ausgeführt sind, dass hinterher keine Ungereimtheiten in der Umsetzung zu erkennen sind. In diesem Fall konnte eine Lösung gefunden werden, indem ich 66 Lagen Furnier in einer von Hand gefertigten Form verleimte, ohne, dass dieser Vorgang anschließend als solcher im Endprodukt erkennbar war. Es sah letztendlich aus, wie Massivholz, aus einem Stück gebogen.

Wie gehen Sie generell mit Herausforderungen um?

Ich denke, dass Herausforderungen, egal, ob bei der Arbeit oder im Privaten, das größte Entwicklungspotenzial bergen. Deshalb stelle ich mich allen Herausforderungen, ich laufe nicht vor ihnen weg, da sie einen ohnehin wieder einholen. Deshalb finde ich es gut, wenn man sie gleich angeht, ganz gleich wie schwierig sie erscheinen und versucht, durch eine offene Herangehensweise eine entsprechende Lösung zu finden.

Haben Sie ein Motto oder einen Leitsatz in der Arbeit und im Leben?

Ich versuche immer, Offenheit, Durchhaltevermögen und vor allem Empathie mitzubringen. Letzteres ist für mich der Schlüssel, besonders im Leben.

Und woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Lösungen?

Ganz besonders inspiriert mich die Natur. Ihre immense Kraft, ihre Formen und Farben, das Ursprüngliche, Echte. Beständigkeit und Veränderung in einem. Ich bin sehr gerne draußen, zum Beispiel in den Bergen im Schnee, wenn noch kaum einer um einen ist. Aber auch Menschen, ihr Engagement, ihr Schaffen, ihre Arbeit und die Eigenheiten, die sie darin zurücklassen. Meine Frau zum Beispiel: Ihre Art ist immer engagiert, ausdauernd, direkt, komplex, dennoch klar. Dabei besonders liebevoll und empathisch, immer offen für das Wesentliche. Weitere Inspirationsquellen sind Kunst, Architektur und im Besonderen die Musik, mit all ihren Facetten sowie das klassische und moderne Ballett. Bei Letzterem sind es die präzisen Bewegungen, die mich auf neue Gedanken bringen. Wir hatten vor einiger Zeit ein Projekt, für das ein Tänzer sich einen Stretchstoff überzog und unterschiedliche Ballettposen einnahm. Die interessanten Formen, die dabei entstanden, führten zu neuen Blickwinkeln – dies war Teil der Entwicklung unserer Kodo Designphilosophie. Wir gehen des Öfteren außergewöhnliche Wege, um Designsprache für uns immer neu zu definieren. Für mich ist es wichtig, positiv und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Wie beispielsweise in dieser momentan außergewöhnlichen Zeit, bestimmt durch den Covid-19 Virus, in der man die Dinge möglicherweise anders wahrnimmt und auch hinterfragt. Durch die veränderten Umstände finden viele überhaupt erst den Anreiz und die Zeit dafür.

Wie gehen sie an ein neues Projekt heran?

In erster Linie ist es wichtig für mich, den Entwurf zu verstehen. Was macht eine Skizze aus, worin liegt die Handschrift des Designers, was möchte er in Formsprache ausgedrückt und umgesetzt haben. Ohne dieses Verständnis ist es nur bedingt möglich, die Emotionen im Modell widerzuspiegeln. Wir beginnen damit, rein skulptural zu arbeiten, weg vom klassischen Fahrzeugdesign, wodurch wir neuer Formsprache Raum geben können. In dieser Phase kann sehr frei und kreativ gearbeitet werden. Die Herausforderung liegt darin, die daraus gewonnenen Ideen auf ein Fahrzeug zu übertragen. Einer der wichtigsten Schritte des Entstehungsprozesses.

Jeder Clay Modeller hat seine eigene Handschrift?

Ja, definitiv. Man kann sehen, welches Modell von welchem Kollegen modelliert wurde. Wenn man zwei verschiedenen Clay Modeller denselben Designentwurf vorlegt, kommen zwei unterschiedliche Modelle dabei heraus, die zwar das Gleiche ausdrücken, aber individuell interpretiert wurden. Da wir in unserer Arbeit vom Zweidimensionalen ins Dreidimensionale übergehen, haben wir zunächst einmal relativ viel Spielraum. An diesem Punkt im Handwerksprozess lässt sich die persönliche Handschrift des Clay Modellers am besten erkennen, die einen Teil der eigenen Persönlichkeit in das Modell mit einfließen lässt. Eben diese individuelle Handschrift macht den entscheidenden Unterschied im Gegensatz zu Fahrzeugen aus, die zuvor nicht in Handarbeit hergestellt wurden.

Sie sind gelernter Schreiner. Arbeiten sie am liebsten mit Holz?

Ja. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich die meiste Erfahrung mit diesem Material gesammelt habe. Seit ich 16 Jahre alt bin, arbeite ich mit Holz. Was ich an diesem Werkstoff besonders mag, ist die Kraft, die darin steckt. Ein solches Werkstück kann mehrere Generationen überdauern, in Gebrauch sein und erfreuen. Das ist ein schönes Gefühl. Ich habe mir selbst vor einigen Jahren einen großen Tisch aus massiver Eiche gebaut. Ein schöner Gedanke, sollte dieser mich eines Tages überleben und dann im Leben meiner Tochter einen Platz finden. Mit all seinen Spuren, seinem Charakter, seiner Geschichte. Zeitlos, nicht temporär. Das liegt mir. Und sollte er dennoch irgendwann als Tisch ausgedient haben, lässt er sich problemlos recyceln da er aus reinem Holz, ohne Giftstoffe oder ähnlichem, gefertigt wurde. Eine einfache Form von Nachhaltigkeit. Massives Holz ist in der Anschaffung vielleicht etwas kostenintensiver, aber auch von besonderem Wert.

Kontakt

Pia Buchner

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